Textzeichnung aus dem Kanaren-Märchenroman: Nanito und der Ruf der Ahnen
Der Frosch im Steinkreis

Im Flussbett kam ihm der Frosch entgegen. Er war so in seine Stimmübungen vertieft, dass er Nanito erst gar nicht bemerkte.

Schönen guten Morgen“, sagte Nanito.

Der Frosch blickte von seinem Notenblatt auf.

Oh, ebenso, ebenso. Schon so früh unterwegs?“

Ja, idealer Tag zum Wandern.“

Wundervoller Morgen, stimmt. Ich sagte mir auch: Auf, auf, Quak, raus in die freie Natur. - Wenn du nichts dagegen hast, begleite ich dich ein Stückchen.“

Gerne. Ich war gestern übrigens noch bei meinem Onkel. Er hat mir von deinen Experimenten erzählt, das mit den Plätzen und Schwingungen. Interessant“

Na ja“, winkte der Frosch ab, „das waren damals erste Versuche. Kein Vergleich zu heute. Es liegt wirklich am Platz.“

Das heißt, du hast noch andere Plätze gefunden?“

Plätze? Den Platz habe ich gefunden. Wenn dich das interessiert, wir müssen aber wieder zurücklaufen.“


Nanitos Herz klopfte, als sie wieder am Wasserfall ankamen. Am rechten Rand des Falles sprang der Frosch mit großen Schritten voraus. Nanito kletterte vorsichtig hinterher, denn der Untergrund war sehr glitschig. Außerdem kletterte er gerade über den Steinmann, der den Wasserfall stützte.

Oben wartete der Frosch.

Na, ich bin ja gespannt, ob du es auch spürst. Für mich war es eine Entdeckung.“

Sie durchquerten den Fluss an der seichtesten Stelle. Schon von Weitem zeigte Quak auf die abgeflachte Anhöhe.

Da ist es. Siehst du die Steine? Im Kreis sind sie angeordnet.“ Begeistert sprang er zwischen den Felsbrocken umher. „Ein Steinkreis, ein echter Steinkreis. Doch, doch, die wussten früher, wo sie ihre Steinkreise anlegten. Tagoror nannten sie so was. Hier saßen die Guanchen bei ihren Besprechungen. Und da oben wachte Idafe. “

Er sprang auf einen der Steine.

Stell dir vor, vielleicht saß gerade hier, genau an dieser Stelle der berühmte Häuptling Tanausu und hielt Kriegsrat mit seinen Leuten, damals bevor er in die letzte Schlacht zog, - oh, dieser gemeine Hinterhalt! Es macht mich immer so traurig, wenn ich daran denke, - nein, lass uns über etwas anderes sprechen.“

Der Frosch hüpfte in die Mitte des Kreises und sofort hellte sich sein Gemüt wieder auf. Sein ganzes Gesicht hellte auf, wurde zu einem einzigen Strahlen.

Fantastisch. Es ist unglaublich. Jetzt spüre ich es wieder. Und wie ich es spüre, dieses Fließen, dieses Strömen. . .“ Er hob die Arme, schloss die Augen, begann zu dirigieren. Dass ihm sein Notenblatt dabei wegflog, bemerkte er gar nicht. Nanito hob es rasch auf.

Wie von himmlischen Symphonien durchflutet, von Engelsgesängen berührt, geriet der Frosch immer mehr in Verzückung. „Ja, ja. . . . wunderbar. Piano. Pianissimo. So. Genau so. . . Jaaaa, genau so.“

Nanito sah das Orchester vor sich, hörte ein Meer schluchzender Violinen. Und nicht nur Nanito staunte über solche Verzückung. Hinter einem Ginsterbusch saßen drei, vier, fünf Gnome. Schubsten sich, tuschelten, legten den Finger an die Lippen. Oh nein, sie wollten jetzt auf gar keinen Fall stören.

Ich werde doch ein klassisches Stück komponieren. Ruf der Ahnen wird es heißen, muss es heißen. Mein Freund, sei mir nicht böse, aber ich werde dich jetzt verlassen. Das muss ich zu Papier bringen.“

Mit großen Sprüngen eilte der Frosch davon.


Nanito winkte ihm noch mit seinem Notenblatt nach, steckte es dann in den Rucksack, entschlossen der Sache jetzt selber nachzugehen.

Er trat in die Mitte des Kreises. Da! Was war das? Doch, doch, da war was. - Hilfe, es kribbelte! Wie vom Blitz getroffen, machte Nanito einen Satz und stand wieder außerhalb des Kreises.

Er blickte hoch zu Idafe. Niemand wusste, was den Fosforitos noch alles einfiel. Jede Minute zählte und er benahm sich einfach nur albern. Mit einem energischen Schritt trat er zurück in den Kreis. In der Mitte legte er sich flach auf den Rücken und spürte jetzt nur das Kitzeln der Sonne. Sicher kam das Kribbeln ja auch von der Sonne. Natürlich, so musste es sein. Nanito musste über sich selber lachen. Schön war es. Warm, aber nicht zu warm, gerade angenehm. Er schloss die Augen, spürte im ganzen Körper ein leichtes Vibrieren. Dazu summte es im Kopf. Ob der Frosch das auch gehört hatte? Ja, es war fast wie Musik, aber nur fast. Vielleicht ging es ihm mit dem Frosch so ähnlich wie mit Brujita. Sah sie in den Wolken Drachen, sah er garantiert bloß Kaninchen. - Schön war das Summen trotzdem. Hörte man genau hin, ganz genau, dann steckte wirklich Musik drin. - Da. Jetzt hatte er die Melodie. Es erinnerte ihn an ein altes Wiegenlied. Nanito summte mit. . . Leise summte er mit, ganz leise. . . Dabei wurde aus dem Summen Vibrieren. Gleichzeitig war ihm, als würde er angehoben. . . Anheben. . . sinken. . . Anheben. . . sinken. . .

Nach jedem Anheben sank er ein bisschen tiefer. . . Nach jedem Anheben ein kleines bisschen tiefer. . .

 

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